Das orthopädische Management von Frakturen und Deformitäten der Extremitäten sowie der Wirbelsäule gehört in die Hände von Spezialisten. Allgemein gilt, dass Frakturen bei Kleinstkindern primär konservativ behandelt werden, sobald Kinder jedoch zu stehen und gehen beginnen, wird die Stabilisierung der tragenden Knochen und im späteren Leben auch der langen Knochen der Arme mittels Marknagelung zu diskutieren sein. Schrauben- und Plattenosteosynthesen gelten als veraltet, da sie zu gehäuften Frakturen am oberen und unteren Ende der Platte führen können. Alle chirurgischen Massnahmen müssen von Rehabilitation vor und nach Operation sowie von medikamentöser Therapie begleitet werden.
Rehabilitationsstrategien und Modalitäten bei Osteogenesis imperfecta
- Programm zur gezielten Gelenkdehnung und Muskelkräftigung
- Gewichttragende Aktivitäten und Gebrauch von Gehhilfen entsprechend der Stärke der unteren Extremitäten
- Orthesen (äussere Schienen) für die unteren Extremitäten zur Kompensation von Gelenkinstabilität und Muskelschwäche
- Schutzbehandlung durch Betreuer und vorsichtige Lagerung zur Vermeidung von
- Verletzungen und Verhütung von Kontrakturen
- Unterstützung der Mobilität durch manuelle oder motorgetriebene Rollstühle in spezifischer Umgebung
- Angepasste Ausrüstung zur Kompensation von Kleinwuchs, Deformität und Schwäche
- Anpassung der Umgebung zu Hause, in der Schule und am Arbeitsplatz, um die Unabhängigkeit zu fördern
- Instruktion in physischer Fitness und gesunder Lebensführung
Extremitätennagelung bei OI
Ziele
- Knochenbegradigung
- Verminderung des Frakturrisikos (Knochenbrüche) und Schmerzen (durch Mikrofrakturen)
- Innere Schienung von Brüchen, welche sich trotz den Nägeln ereignen können
- Verhinderung von Fehlstellungen nach Brüchen
- Sitz-, Steh- und Gehfähigkeit ermöglichen
Problematik und Komplikationen
- Technisch sehr anspruchsvoll (geringe Dimensionen des Markkanals, komplexe 3-dimensionale, ev. Mehretagendeformitäten, weicher Knochen, schlechte Weichteildeckung, Blutungsneigung)
- Wanderung des Nagels
- Perforation (Austritt eines der Nagelenden durch die Haut, oft erst viele Monate nach der Operation)
- Ungenügende Länge
- Ungenügende Knochenstabilisation
Sofield-Millar-Technik der Nagelung
Bei dieser Methode (Nagelungstechnik) wird der krumme Knochen durch mehrere Osteotomien (Durchtrennung des Knochens) und mit Hilfe eines rostfreien Stahlstabes begradigt. Heutige Vorschläge:
- Nagelung früher (18 Monate), dank der Pamidronat-Behandlung (Bisphosphonat)
- Evtl. Schienung vor Nagelung
- So wenig Osteotomien wie möglich. Bei drei Osteotomien und mehr wird die Heilung des Knochens möglicherweise verzögert oder der Knochen verkürzt sich (teleskopiert). Eine weitere Problematik ist die Verdünnung des Knochens aufgrund des sogenannten Stress-Shieldings der recht starren Implantate.
- So wenig Denudieren d.h. Periostablösung wie möglich. Die Knochendurchtrennungen können meist sogenannt perkutan, d.h. ohne Darstellung des Knochens, durch die Haut vorgenommen werden.
Teleskopnagel (neue Generation) Fassier-Duval (FD)
Keine Knie- oder Sprunggelenkseröffnung (Arthrotomie), da beide Nagelkomponenten anterograd, d.h. von rumpfnah nach peripher, über einen Schnitt eingebracht werden können.
- Weniger invasiv (von lateinisch: invadere – einbrechen, eindringen)
- Technisch anspruchsvoll
Spezialanfertigungen
Bei zusätzlichen Fehlstellungen des Schenkelhalses (Coxa vara) bewähren sich Nägel, welche an ihrem oberen Ende zusätzlich eine Schenkelhalsschraube winkelstabil aufnehmen können. Diese Nägel können auch ohne Gelenkeröffnung implantiert werden.
Flexible Titannägel (Prévotnägel)
Sind vor allen bei engen Markraumverhältnissen eine gute Alternative, zumal sie auch ohne Gelenkeröffnungen eingebracht werden können.
Postoperative Phase
- Ruhigstellung so kurz wie möglich (3 Wochen)
- Möglichst kein „Max und Moritz“-Gips
- Besser OS-Gips mit Standverbindung
- Neues Material : Soft cast (Vorteile: viel leichter, keine Druckstellen; Nachteil: etwas weniger stabil)
- Historische Implantate, welche weitgehend durch die FD-Nägel resp. Spezialanfertigungen abgelöst wurden.
Teleskopnagel (Dubow-Bailey)
Der Dubow-Bailey-Nagel ist ein ausziehbarer Teleskopstab, d.h. die eine Hälfte des Nagels besteht aus einer Röhre und die andere Hälfte aus einem Stift. Je ein Ende jeder dieser Hälften wird im Knochen fest verankert. Somit kann beim Wachstum des Knochens der Stab aus der Röhre gleiten, also gewissermassen mitwachsen. Aufgrund der häufigen Komplikationen wird dieses Produkt nur noch von wenigen Chirurgen verwendet.
- Der Nagel passt sich dem Wachstum des Knochens an
- Dieser Nagel ist nur für das Femur (Oberschenkel) geeignet
- Weniger Reoperationen als die sog. „Rush-Pins“ (vgl. unten)
- Häufige Problematiken: Diskonnektion (Trennung) / Wanderung des Nagels; Verklemmung;
- Verbiegung, da der Stab zu schwach ist
- Kniearthrotomie (operative Öffnung des Kniegelenkes)
Rush-Pin
Der Rush-Pin ist ein fixer Marknagel. Das Schienbein, innerer Unterschenkelknochen, (Tibia) wird vorzugsweise mit dem Rush-Pin versorgt. Rush-Pins sind stabiler als Teleskopnägel.
Sind vor allen bei engen Markraumverhältnissen eine gute Alternative, zumal sie auch ohne Gelenkeröffnungen eingebracht werden können.